tskIch studiere seit über 25 Jahren Philosophie und obwohl mir die Akademia manchmal fast die Lust daran genommen hat, hat die Leidenschaft doch bis heute immer wieder gewonnen. Was mich seit jeher interessiert, ist die Frage, wie wir Menschen ‚funktionieren‘, warum wir so und nicht anders denken und handeln – wobei ich zu Beginn noch ziemlich naiv davon ausgegangen war, dass die europäischen philosophischen Positionen, die ich kennen lernte, universelle Wahrheiten präsentierten. Nach einem halbjährigen Aufenthalt in Spanien habe ich in München zu studieren begonnen: Philosophie, Psychologie und Logik & Wissenschaftstheorie. Das hieß zunächst zahlreiche Seminare über Descartes und Hegel zu besuchen. So hatte ich wenigstens die notwendige Basis, um Sartres Bewusstseinsphilosophie lesen und verstehen zu können – wozu ich dann die Magisterarbeit geschrieben habe. Nach einem dreijährigen Ausflug in die ‚freie‘ Wirtschaft als rechte Hand der Chefredaktion einer Computerfachzeitschrift und nach der Geburt unserer Kinder konnte ich es aber nicht mehr aushalten: Ich musste zurück in die Philosophie. So habe ich mich weiter mit Sartre befasst, aber diesmal mit der Frage, ob und wie seine ‚phänomenologische Ontologie‘ eine Ethik begründen könnte – daraus ist mithilfe eines Graduiertenstipendiums die Dissertation entstanden.

Auf meine immer noch virulente grundlegende Frage fand ich hier einige Antworten: Denn nach Sartre kommen wir Menschen nicht mit einem gegebenen Set an Eigenschaften zur Welt, sondern wir werden zu dem, was wir dann darstellen oder darstellen wollen, weil wir uns unaufhörlich selbst entwerfen und uns zugleich von anderen spiegeln lassen, wer wir zu sein haben, weil wir in bestimmte sozio-kulturell-historische Situationen hineingeboren werden, an denen wir uns orientieren, die uns prägen, ohne uns zu determinieren, weil wir uns zu ihnen immer auch kritisch-reflexiv verhalten können. So war alles wieder offen und vor allem: relativiert hin auf die Geschichte, die Kultur, den Augenblick des Auftauchens in der Menschengemeinschaft. Da ich für das Rigorosum in Logik & Wissenschaftstheorie u.a. feministische Wissenschaftstheorie gewählt hatte, schienen mir nach der Promotion zwei Einsichten unabweisbar: zum einen, dass das ‚Geschlecht‘ zu weiten Teilen bestimmt, wie Menschen andere Menschen sehen und worauf sie sie festlegen; und zum anderen, dass für die Variabilität des menschlichen Denkens und Handelns die ökonomischen Bedingungen eine wesentliche Rolle spielen. Deshalb war es ein echter Glücksfall, dass Ende der 1990er Jahre Karl Homann in München einen Lehrstuhl für Philosophie und Ökonomik ins Leben gerufen und besetzt hat. Dort war ich erst zwei Jahre mit einem Post-doc-Stipendium wissenschaftliche Mitarbeiterin und dann sechs Jahre Hochschulassistentin.

Im Laufe dieser Zeit habe ich mein ‚philosophisches Spektrum‘ vor allem in drei Richtungen erweitert, die sich stichpunktartig so benennen lassen: Kant und seine kritische Aufklärung; Foucault, Luhmann, Derrida, Spivak u.a. und ihre (dekonstruktive) Aufklärungskritik; sowie last but not least Judith Butler und ihre Kritik an (binär codierter) Normativität – wobei diese Einteilung natürlich nicht trennscharf zu verstehen ist! Umklammert wurde diese Erweiterung von langjährigen Studien zur ziemlich abstrakten, protologischen und semiotischen Differenztheorie G. Spencer Browns, durch die ich vor allem begriffen habe, dass die Art und Weise, in der wir ‚Erkenntnisse‘ darstellen, d.h. letztlich im weitesten Sinne die Theoriebildung selbst, das ist, was den springenden Punkt ausmacht: Indem wir die ‚Wirklichkeit‘ beschreiben, machen wir sie – und als eine Folge auch uns selbst.

Das ist bis heute mein Thema: Theoriebildung in der Praktischen Philosophie, wobei damit erkenntnistheoretische Analysen ebenso miteinbezogen sind wie (sozial-)ontologische. D.h. zum einen zu fragen, welche Effekte die sozio-historisch-ökonomischen Umstände und Praxen, in die wir hineingeboren werden, auf unser Denken und Handeln haben. Zum anderen bedeutet es aber auch zu fragen, wie sich das in den Theorien spiegelt, die wiederum darauf Einfluss haben, welches Selbstverhältnis bzw. -verständnis wir generieren, welche Auffassungen die Menschen über sich haben und kolportieren. Allerdings gibt es wohl trotz aller Variabilität doch so etwas wie ein proto-anthropologisches Netz aus Bedingungsmomenten, ohne die kein Mensch werden könnte. An der Grundlegung so eines post-kantischen Ethik-Modells arbeite ich u.a. auf der Basis eines Heisenberg-Stipendiums der DFG derzeit noch als Fellow am Institut für Sozialforschung in Frankfurt – es hat mich auch ein halbes Jahr nach Berkeley gebracht, um im Rahmen des critical theory program zu forschen und zu lehren.

Meine wichtigsten Publikationen: Authentische Freiheit. FfM: Campus 2001; Störfall Gender. Grenzdiskussionen in und zwischen den Wissenschaften. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2003 (zus. mit Katrin Wille u.a.); George Spencer Brown. Eine Einführung in die Laws of Form. Wiesbaden: VS 2004/20092 (zus. mit Katrin Wille u.a.); Freiheit als Norm. Moderne Theoriebildung und der Effekt Kantischer Moralphilosophie. Bielefeld: transcript 2010.