Zurzeit bin ich wissenschaftliche Mitarbeiterin am DRZE Bonn. Neben den Themen aus der angewandten Ethik, mit denen ich mich durch meine Arbeit beschäftige, liegen meine Forschungsinteressen in der normativen Ethik, vor allem in den Bereichen der Theorien des guten Lebens und im Bereich der Philosophie der Kindheit. Dazu arbeite ich derzeit an einem Habilitationsprojekt. In meiner Doktorarbeit habe ich mich mit dem Bildungsideal des Aristoteles beschäftigt, meine akademischen Wurzeln liegen also in der Antiken Philosophie.
Es war deswegen ein großes Highlight für mich, im Oktober 2018 einen Kurzforschungsaufenthalt in Chicago bei Martha Nussbaum zu verbringen. Aus meiner Sicht illustriert ihre Arbeit wunderbar die Fähigkeit, antike Ideen und Denkmuster so zu übersetzen und weiterzudenken, dass sie für die Gegenwart relevante Lösungen bieten können. Das ist ein Ideal, das ich ebenfalls anstrebe.
Auch wenn ich schon in meiner Schulzeit mit den Ideen antiker Denker in Kontakt kam, stand ich zunächst unter dem Eindruck, dass Philosophie vor allem eine Sache der französischen Aufklärer war und entschied mich daher im Studium neben der Philosophie Romanistik und Theologie zu studieren, was damals in Aachen ein Studiengang war, in dem man in sehr kleinen Seminargruppen viel Gelegenheit zur Diskussion hatte, was ich sehr genoss.
Durch das Theologiestudium wurde ich eher beiläufig angeregt, Altgriechisch zu lernen und in einer Übersetzungsstunde, in der wir den flammenden Streit zwischen Sokrates und Thrasymachos übersetzten wurde mir klar: die eigentliche Sprache der Philosophie ist nicht Französisch, es ist Altgriechisch. Und dann wusste ich ziemlich schnell, dass ich mich in meiner Magisterarbeit und dann auch in meiner Doktorarbeit mit Aristoteles beschäftigen wollen würde.
Neben dem Magisterstudium absolvierte ich ein Lehramtsstudium, das ich bereits 2010 erfolgreich abschloss. Mich interessierte eigentlich schon immer, wie Menschen etwas lernen und wie Veränderungen in der menschlichen Psyche durch Lehr- und Lernprozesse ausgelöst werden. Deshalb wollte ich wissen, ob Aristoteles dies für mich klären kann. Ich begann daher meine Doktorarbeit mit der Frage, was gute Bildung für Aristoteles ist und wie nach Aristoteles ein menschliches Kind zu einem guten Menschen erzogen werden kann. Ich fand heraus, dass für Aristoteles mehrere Aspekte eine Rolle spielen: die stete Gewöhnung an etwas, das eigene Tätigsein des Kindes (nicht nur Theorie!) und das Lernen am Vorbild. Um Kinder zu guten Menschen zu machen, muss man ihnen also einerseits vorleben, was es bedeutet, ein guter Mensch zu sein und sie gleichzeitig in ihrem eigenen Handeln ihre eigenen Erfahrungen machen lassen und sie durch Ratschläge, Ermahnungen und kontinuierliches Feedback darin begleiten, ihren eigenen persönlichen Weg dahin zu finden, die Mitte zwischen den Lastern zu finden, die für Aristoteles die charakterliche Tugend ist. Im Vordergrund steht dafür für Aristoteles, dass dieser Prozess schon beginnen muss, wenn Kinder rationale Erklärungen, warum etwas richtig ist oder warum etwas auf bestimmte Weise getan oder unterlassen werden muss, noch nicht verstehen können. In dieser vorrationalen Phase ihrer eigenen Entwicklung sind Kinder noch so formbar, dass die Erziehung nicht auf den Eintritt der Vernunftfähigkeit warten kann. Aber sie kann mit der zunehmenden Fähigkeit von Kindern, komplexe Zusammenhänge zu verstehen und abstrakte Begriffe zu bilden, mitwachsen. Aristoteles betont auch, dass er glaubt, dass es in einer guten Gesellschaft viel einfacher ist, selbst zum guten Menschen zu werden, als wenn die Gesellschaft um einen herum schon korrumpiert ist und man keine guten Beispiele kennt.
Dieser Gedanke hat mich dazu inspiriert, mich in meinem Habilitationsprojekt damit auseinanderzusetzen, was wir Kindern als Gesellschaft eigentlich schulden. Genauer möchte ich mich mit der Frage auseinandersetzen, was eine gute Kindheit ist, wie sie mit der Möglichkeit zusammenhängt, als Erwachsener ein gutes Leben zu führen und inwiefern Kindern (auf der ganzen Welt) eigentlich ein Recht zukommt, eine solche gute Kindheit zu erleben.
Nicht nur in meinen theoretischen Überlegungen, sondern auch für meinen persönlichen Werdegang als Philosophin, spielten und spielen Vorbilder eine wichtige Rolle. Dazu zählen für mich neben Martha Nussbaum, Dorothea Frede und Ursula Wolf. Sie haben sich in einer Zeit, in der nur sehr wenige Frauen in der Philosophie waren, mit ihren exzellenten Ideen und ihrem Mut zu messerscharfen Argumentationen und innovativen Ideen durchgesetzt und vor allem das tiefere Verständnis der Nikomachischen Ethik stark vorangebracht, welches aus meiner Sicht eines der bedeutendsten Werke der Ethik überhaupt ist. Eine sehr inspirierende und unterstützende Community habe ich während meiner Promotionszeit außerdem bei den Workshops der Women in Ancient Philosophy erfahren, die von Ana Laura Edelhoff und Bettina Bohle mit viel Leidenschaft organisiert wurden. Nicht zuletzt bin ich dankbar für die intensive Förderung durch meine Doktorväter Christoph Horn und Jörn Müller sowie meinen Forschungsaufenthalt als visiting fellow an der University of California, Berkeley (2014 – 2015), in dem ich von Klaus Corcilius und den wunderbaren Diskussionen in der Ancient Philosophy Reading Group (u.a. mit Tony Long und Sara Magrin) sehr viel lernen konnte. Austausch und Diskussion sind aus meiner Sicht die Lebensader der Philosophie, weshalb ich mich immer freue, selbst bei Workshops und Konferenzen dabei zu sein oder sie selbst zu organisieren.
Mehr zu meiner Arbeit und Person findet sich auf meinem Profil bei adacemia.de. Ich freue mich immer sehr über Fragen und Anregungen.