Meine philosophische Karriere begann an der Universität “Sapienza” in Rom, wo ich bereits sehr früh und intensiv mit der Husserlschen Phänomenologie in Kontakt kam. Bereits als Studentin also erweckte die – damals für mich völlig neue – phänomenologische Methode mein Interesse auf Grund ihrer von Ambivalenz geprägten Beziehung zur philosophischen Tradition. Einerseits verortet sich die Phänomenologie durchaus in der kartesianischen und kantianischen Tradition; andererseits strebt sie nach einer Erneuerung und Radikalisierung jenes Denkens, indem sie eine mikrologische und deskriptive Methode vorschlägt, welche ohne konstruktivistischen Anspruch von den Phänomenen selbst ausgehen, sowie Subjekt und Welt in ein ursprüngliches Verhältnis zueinander setzen soll.
2013 erlangte ich an der “Sapienza” in Rom meinen Doktortitel in theoretischer Philosophie zum Thema des Präkategorialen im frühen Husserl, unter Betreuung von Prof. Francesco Saverio Trincia; die Doktorarbeit wurde 2014 unter dem Titel Logica delle forme sensibili. Sul precategoriale nel primo Husserl (Die Logik der wahrnehmbaren Formen. Zum Präkategorialen im frühen Husserl) (Storia e Letteratura, Roma 2014) veröffentlicht. Die Fragestellung meiner Doktorarbeitsrecherche richtete sich auf ein Verständnis des Zusammenhangs zwischen Wahrnehmung und Logik, Passivität und Aktivität in Husserls Phänomenologie: jenes Problemfeld, in welchem sich meiner Meinung nach der gesamte Sinn, sowie die Fruchtbarkeit der phänomenologischen Methode vereint. Husserl zufolge seien Aktivität und Passivität (Intellekt und Wahrnehmung) tatsächlich nicht zwei absolute Pole, sie seien relativ und gingen ineinander über, so dass es keine reine, von den wahrnehmbaren Strukturen losgelöste Logizität gebe: Dieser – bei Husserl nicht immer von Ambiguität freier – Gedanke war für mich entscheidend und tauchte später in meinen Studien zur Medialität wieder auf.
Nach Beendigung meiner Promotion und eines Forschungsjahres am Istituto Italiano per gli Studi Storici di Napoli (gegründet 1946 von Benedetto Croce, einem der wichtigsten zeitgenössischen Philosophen Italiens), zog ich Ende 2014 nach Deutschland und begann an der Freien Universität Berlin als Visiting Research Fellow zu arbeiten, unter Anleitung von Sybille Krämer am Institut für Philosophie und Christoph Wulf am Institut für Anthropologie und Erziehung. Das Thema meiner, auch durch das DAAD finanzierten, Postdoc-Forschung zwischen 2014 und 2017 war der Bezug zwischen Anthropologie und Kommunikation aus phänomenologischer Sicht. Während meiner Untersuchungen zu dieser Beziehung ist mir aufgefallen, dass die Verbindung zwischen Wahrnehmung und Intellekt in der Phänomenologie als “medial” charakterisiert werden kann, nicht nur in dem Sinne als dass zwischen beiden ein “Vermittlungsprozess” stattfindet, sondern auch, da sie durch ein “Medium” – vornehmlich den Sinnesapparat (und später durch immer komplexere Formen) – in Kontakt miteinander treten.
Die Begegnung mit Sybille Krämer, die sich höchst ausgedehnt mit dem Problem der Medialität in verschieden Anwendungsbereichen auseinandergesetzt hat und deren 2008 erschienenes Buch „Kleine Metaphysik der Medialität“ ich ins Italienische übersetzt habe, war entscheidend und erlaubte es mir, meine Ausrichtung zu spezifizieren, sowie schrittweise mein Interesse an der Bereich der Digitalität zu vergrößern, welchen ich als besonders anregenden Anwendungskontext zu empfinden begann. Nach einem Forschungssemester (2017) am Istituto Italiano per gli Studi Filosofici di Napoli erhielt ich ab Juli 2017 ein dreijähriges Habilitationsstipendium an der TU Dresden im Bereich Technikphilosophie, unter Aufsicht von Bernhard Irrgang. Meine Forschung zielte auf die Erstellung einer “Phänomenologie des digitalen Selbst” mittels einer kritischen Analyse digitaler Subjektivierungsprozesse: der Einfluss digitaler Technologien führt zu einem tiefgreifenden Wandel der anthropologischen Ordnung des Menschen und diese Veränderungen sollen als gemäß gemeinsamen ethisch-normativen Kriterien regulierbar verstanden werden. Mich interessieren besonders jene technologischen Aspekte, welche mit den Techniken des “self-tracking” in Zusammenhang stehen und die in Gestalt von Apps, technischen Hilfsmitteln oder unterschiedlicher Software Einzug in den Alltag technologisch hoch entwickelter Gesellschaften gehalten haben: dieser “Umgang” (um es mit Heidegger zu sagen) mit solchen Instrumenten wird, wie es die Phänomenologie lehrt, vorurteilsfrei hinterfragt; wir müssen verstehen, welcher Typus einer neuen Subjektivität, welche neuen Lebensformen im Begriff sind sich zu entwickeln, auf individueller und gesellschaftlicher Ebene.
Ab September 2020 werde ich diese Themen dank eines zweijährigen Postdoc-Forschungsstipendiums am Institute for Cultural Inquiry in Berlin vertiefen können, wo ich mich – immer unter einem phänomenologischen Blickwinkel – mit Problemen bezüglich einiger aktueller Formen der Produktion und des Konsums experimenteller elektronischer Musik befassen werde. Ich werde hier die Beziehung zwischen analogen und digitalen Ausdruckstechniken untersuchen, sowie die Rekonfiguration der binären Kompositionslogik in Abhängigkeit von komplexeren und vielseitigeren Ausdrucksformen.
Die gegenwärtige Gesundheitskrise (Covid-19) hat das Potential des Digitalen noch einmal betont: die in weiten Teilen der Welt notwendig gewordenen sozialen Abstandsregeln und Quarantänemaßnahmen haben sowohl die Nützlichkeit von Formen des digitalen Arbeitens und sozialen Miteinanders, als auch deren Risiken deutlich gemacht – ausgehend von der immer noch viele soziale Bereiche Europas charakterisierenden “digital divide”. Der Sprung vorwärts, zu welchem uns die Pandemie gezwungen hat, erfordert noch weitere gestalterische Anstrengungen in diesem Bereich, unter Mitwirkung unterschiedlichster Kompetenzen und Ansätze welche, sich gegenseitig ergänzend und unterstützend, hier zu einem mehr als zuvor dringend notwendigen Verständnis beitragen können.
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