Ich gehöre zu den Leuten, die früh in ihrem Leben angefangen haben, Philosophie zu lesen, und dann eigentlich nie etwas anderes machen wollten. Insofern bin ich sehr froh, dass ich immer noch Philosophie mache und beruflich machen darf, auch wenn ich seit diesen frühen Anfängen eine philosophische Kehrtwende gemacht habe. Angefangen habe ich nämlich, wie wahrscheinlich viele beginnen, mit Sartre, de Beauvoir, Camus, Nietzsche und Heidegger und deshalb wollte ich unbedingt irgendwo studieren, wo man sich mit Existentialismus beschäftigen kann. Da passt meine Heimatstadt Bielefeld wirklich gar nicht. Wegen eines leicht verspäteten, weil externen Abiturs konnte ich aus terminlichen Gründen allerdings nur in Bielefeld beginnen und da ich auf keinen Fall ein Semester warten wollte, habe ich trotzdem in Bielefeld angefangen. Am ersten Tag meines Studiums bin ich dann in eine HIT-Veranstaltung bei Eike von Savigny geraten. HIT stand für „Hausarbeit in individuell betreuten Teilschritten“ und war – man verzeihe mir den Kalauer – tatsächlich ein Hit. Ich habe gefühlt nie wieder in so kurzer Zeit so viel gelernt wie in dieser Veranstaltung, in der man neben den normalen Seminarsitzungen sechs Mal im Semester Texte abgab, die sechs Mal in einer halbstündigen Einzelbesprechung diskutiert wurden, und aus denen sich am Ende die Hausarbeit zusammensetzte. Wie nebenbei kam ich völlig ab von allem, was ich vorher gelesen hatte, und beschäftigte mich fortan hauptsächlich mit genuin analytischer Philosophie, im Studium insbesondere Wittgenstein. Bis heute bin ich hauptsächlich in der analytischen Philosophie unterwegs, vermeide aber möglichst jede Art von Dogmatismus oder Schulbildung.
Dieser Anfang ist für mich nicht nur wichtig, weil es halt mein Anfang ist, sondern auch, weil ich an diesem Anfang ein Bild von Philosophie gewonnen habe, an dem ich festhalte. Philosophie ist demnach etwas, was man lernen und lehren kann. Es ist überhaupt nicht leicht zu erklären, was genau Menschen tun, die philosophieren, aber wenn man sich die Mühe macht, genau hinzusehen, dann kann man einiges darüber herausbekommen und das kann man auch vermitteln. Dieses Bild von Philosophie ist für mich deshalb so wichtig, weil meine jetzige Aufgabe an der Abteilung Philosophie der Universität Bielefeld als Koordinatorin für Qualitätsmanagement, Studienorganisation und Leitung viel damit zu tun hat. Ich denke im Rahmen dieses Jobs viel darüber nach, was gutes Philosophieren ist und wie man das in einem Philosophiestudium gelingend vermitteln kann. In diesem Zusammenhang interessiert mich unter anderem, wie man Diversität in der Philosophie ermöglichen und damit umgehen kann. Aus diesem Interesse resultiert auch mein Engagement für SWIP.
In meiner Forschung beschäftige ich mich seit einiger Zeit mit Fragen der Moralbegründung. Das ist etwas ganz anderes als ich in meiner Dissertation gemacht habe, die von philosophischen Theorien narrativer Identität handelte und die Frage stellte, ob das überhaupt überzeugende Theorien personaler Identität sein könnten (ganz kurz: nein). Jetzt interessiert mich vor allem die Frage, ob es möglich ist, eine Begründung von Moral zu geben, die moralische Forderungen für alle Menschen verpflichtend macht, einfach weil sie Menschen sind. Zu diesem Zweck versuche ich ein Verständnis von menschlicher Natur fruchtbar zu machen, das allerdings nicht essentialistisch ist, weil menschliche Natur demnach historisch kontingent und sozial konstruiert ist. Eine solche Konzeption sehe ich etwa in Peter Strawsons Überlegungen in „Freedom and Resentment“ angelegt. Vom Ansatz her gibt es bei meinen Überlegungen Ähnlichkeiten zu den neoaristotelischen Moralkonzeptionen Philippa Foots und Rosalind Hursthouses, ohne dass ich mich auf ein tugendethisches Moralverständnis festlegen will. Aber deren Blick auf die menschliche Natur und ihre Gelassenheit gegenüber dem Begründungsproblem der Moral scheint mir sehr hilfreich.
Außerdem beschäftigen mich in verschiedenen Zusammenhängen immer wieder Themen der Philosophie der Sexualität. Jetzt gerade ist das insbesondere die Frage, ob Zustimmung allein ausreichend ist für die moralische Güte einer sexuellen Handlung. Meines Erachtens ist sie es nicht. Stattdessen kann man mehr über die moralische Qualität von sexuellen Handlungen sagen, wenn man in Betracht zieht, dass es ein Idealbild von sexuellen Begegnungen gibt, das damit zu tun hat, dass sich die Partner auf Augenhöhe begegnen.
Obwohl ich zwar gern allein am Schreibtisch sitze und an meinen verschiedenen Aufgaben und Themen arbeite, schätze ich den Austausch mit anderen sehr und profitiere davon in ganz verschiedenen Hinsichten sehr, inhaltlich philosophisch ohnehin, aber auch was meine persönliche Entwicklung als Lehrende, Forschende und an der Hochschule Tätige angeht. In diesen Hinsichten den Austausch mit anderen zu nutzen und auch bspw. Mentoring-Angebote zu nutzen, dazu kann ich nur ermutigen. Ich erlebe es beispielsweise oft als eine Herausforderung, die Anforderungen des akademischen Philosophierens mit denen einer kleinen Familie – ich habe einen zweijährigen Sohn – unter einen Hut zu bekommen. Dabei hilft der Austausch mit anderen ungemein.
Dr. Almut Kristine v. Wedelstaedt Koordinatorin für Qualitätsmanagement, Studienorganisation und Leitung, Abteilung Philosophie der Universität Bielefeld