Seit Dezember 2019 bin ich Heisenbergprofessorin für Ethik und Philosophie der Emotionen an der Universität Bochum. Dort kann ich die Fäden meiner bisherigen Forschung zusammen- und in neue Richtungen weiterführen. Die Thematik des guten Lebens verfolge ich nun einerseits mit meinem Projekt zu zeitlichen Aspekten einer gelungenen Lebensführung und andererseits im Bereich der Ethik der Digitalisierung, in dem ich mir vor allem die neuen emotionalen Verhältnisse ansehe, in die wir vermittelt durch sowie direkt mit digitalen Systemen und insbesondere solchen der Künstlichen Intelligenz geraten.
Nach Studium und Promotion in Berlin war ich in meiner Post-Doc-Phase akademisch an der Universität Göttingen zu Hause. Dort hat mir, nach einer Mitarbeiterstelle bei Prof. Holmer Steinfath und nach einem Jahr im Ausland an der New York University, ein Stipendium des Dorothea Schlözer-Programms die Möglichkeit gegeben, meine Habilitation zu beenden. Danach hatte ich Gast- und Vertretungsprofessuren in Berlin an der HU und FU, in Wien, Zürich und Erlangen, außerdem Fellowships an der Kollegforschergruppe zu Medizinethik und Biopolitik in Münster, an der Digital Society Initiative Zürich und am Weizenbaum Institut Berlin.
Meine Forschungsthemen liegen hauptsächlich in der Philosophie der Gefühle, der Moralphilosophie und der Ästhetik.
Mit Fragen aus dem Bereich der Philosophie der Gefühle habe ich mich am ausführlichsten in meiner Dissertation beschäftigt („Die Klarheit der Gefühle. Was es heißt, Emotionen zu verstehen“. Walter de Gruyter, 2009). Dafür habe ich zum einen eine Position dazu erarbeitet, was Emotionen, als spezifischer gefasste Gefühle, überhaupt sind. Zum anderen habe ich untersucht, was es heißt, solche Emotionen zu verstehen – und zwar sowohl bei anderen Personen als auch bei sich selbst. Daher bewegte ich mich mit dieser Arbeit auch in der Philosophie des Geistes, in Debatten um Fremdverstehen und Selbstverstehen. Für meine Herangehensweise war dabei wichtig, die Debatten der sogenannten analytischen Philosophie zusammen zu bringen mit Einsichten aus der Hermeneutik und vor allem einer phänomenologisch inspirierten Methode. Davon ausgehend habe ich einzelne affektive Phänomene untersucht, die nicht selbstverständlich in den Rahmen von bekannten Emotionstheorien passen, wie etwa Rauschzustände oder Trost.
Ein Bezug zu Emotionen findet sich auch oft in der Weise, wie ich Themen in der Ästhetik oder auch in der Religionsphilosophie zuschneide. Mich beschäftigt etwa die Frage, inwieweit man die besondere Erkenntnisart bei Kunst in emotionalen Kategorien beschreiben kann – es ist interessant, wie verschieden sich darüber diskutieren lässt mit Studierenden der Philosophie in Göttingen einerseits und der Universität der Künste in Berlin andererseits; oder die Frage, ob religiöse Gefühle „nur“ besondere Varianten von säkularen Emotionen sind oder von ganz eigener Art – worüber ich unter anderem mit einer internationale Lesegruppe ein halbes Jahr lang über google hangout gesprochen.
Der Schwerpunkt meiner Arbeit nach der Promotion lag im Bereich der Moralphilosophie, mit allen drei Unterdisziplinen: Metaethik, normative und angewandte Ethik.
Während meines Jahres als Visiting Scholar an der New York University habe ich beispielsweise über Werttheorien geforscht, insbesondere zu den metaethischen Debatten zwischen Sentimentalisten und Kognitivisten und zwischen Vertretern eines grundsätzlichen Wert-Konstruktivismus oder –realismus, wobei es mir (wiederum) wichtig ist, die Rolle der Emotionen für ein angemessenes Verständnis unserer Praxis des moralischen und ästhetischen Wertens zu betonen. In der angewandten Ethik habe ich mich unter anderem mit Fragen des genetischen Enhancements auseinandergesetzt oder auch der allgemeineren, wie weit prospektive, vorausschauende Ethik zu rechtfertigen ist, wie sie oft in diesem Bereich betrieben wird.
Das Thema meines größten Projekts, meiner Habilitationsschrift, berührt alle drei Bereiche der Ethik: Der Begriff der Menschenwürde.
Seit der Einführung des Begriffs der Würde des Menschen in Rechtstexte nach 1945 dominieren Erläuterungen, die Menschenwürde als einen Wert, einen Status oder einen Anspruch verstehen, wovon Normen oder sogar Rechte abgeleitet werden. Daneben ging eine andere Sicht fast verloren, nach der es sich bei Würde um eine Art und Weise zu leben handelt, eine wertvolle Verfassung, die Menschen anstreben und verteidigen. An diesem Verständnis gilt es meiner Ansicht nach anzuknüpfen.
Das Hauptproblem der dominierenden Ansätze zum Begriff der Menschenwürde besteht darin, dass fast alle mit einer impliziten Doppeldeutigkeit des Würdebegriffs operieren. Einerseits wird unter Würde etwas wie der besondere Wert eines Menschen verstanden, der bestimmte Normen begründen könne. Andererseits wird unter Würde die Verfassung eines Menschen verstanden, in der er sich befinde, wenn er gemäß den eben genannten Normen behandelt werde – sodass er eben in Würde leben könne. Wo diese Doppeldeutigkeit vermieden wird, ergibt sich wiederum eine Erläuterung, die den Begriff der Menschenwürde in moralischen Diskussionen systematisch überflüssig macht. Denn in diesen Fällen wird Würde in der Regel als der moralische Status verstanden, den jeder Mensch hat. Die Würde des Menschen zu achten, heißt dann, ihn in seinem moralischen Status anzuerkennen. So aber wäre es kein genuin bedeutsamen Begriff, der eine eigene Rolle in moralischen Diskussionen spielen würde.
Angesichts dieser Schwierigkeiten liegt es nahe, Würde grundsätzlich im zweiten Sinn zu verstehen: Als die Verfassung, in der sich ein Mensch befindet, wenn er in Würde lebt. Diese Idee ist bisher wenn, dann im Sinne gewisser Formen von Selbstachtung erläutert worden. Ich zeige, wie Würde, in loser Anknüpfung an den aristotelischen Begriff der hexis, als eine Haltung zu entwickeln ist.
Dieses Projekt dreht einen wichtigen Zusammenhang um: Würde ist sie selbst nichts Normatives, woraus sich Pflichten ergeben würden. Stattdessen kann sie das Ziel von Handlungen sein, deren Geboten-Sein mit anderen normativen Ressourcen begründet werden muss. Um für einen grundsätzlichen moralischen Anspruch darauf, nicht daran gehindert zu werden, in Würde zu leben, zu argumentieren, muss gezeigt werden, inwiefern Würde nicht ein beliebiges Ideal unter anderen, individuell möglichen ist, sondern eines, das für alle wichtig ist. Auch das ist möglich, indem man verdeutlicht, inwiefern Würde als Haltung ein wesentliches Element eines guten Lebens darstellt.