Auf die Idee eines Philosophiestudiums wäre ich von allein wohl nie gekommen, aber zum Glück lernte ich im ersten Semester meines Magisterstudiums (einer hier nicht näher zu nennenden und aus heutiger Sicht etwas absurd anmutenden Fächerkombination) an der Universität Leipzig Kommilitoninnen kennen, die im Hauptfach Philosophie studierten. Und was sie erzählten, klang überaus interessant: Umgang mit Texten und vielfältige Themen einerseits, dabei analytisches Denken und logisches Argumentieren andererseits – das war mein Fach. Hatte ich mich doch nach Deutsch und Mathe Leistungskurs nicht für die eine oder die andere Richtung entscheiden können und meine derzeitige Fächerkombination eher aus Verlegenheit gewählt. In der Philosophie gab es das Beste aus beiden Welten – was mich bis heute fasziniert.
Eher durch Zufall wählte ich Volkswirtschaftslehre als Nebenfach dazu, noch nicht ahnen könnend, dass dadurch die Grundlage für einen meiner Forschungs- und Interessenschwerpunkte (Philosophy of Economics) sowie für die Themen meiner Magisterarbeit (Die Konstitutionelle Ökonomik James M. Buchanans. Zur Rationalen Begründbarkeit politischer Institutionen) und später der Doktorarbeit (The Economics of Resource Allocation in Health Care: Social Value, Utility, and Fairness) gelegt war. Auch auf die Idee einer Promotion in Philosophie wäre ich, nebenbei bemerkt, vermutlich nicht gekommen, hätte ein damaliger Dozent mich nicht dazu ermuntert.
Für die Promotion folgte ich Prof. Weyma Lübbe nach Abschluss meines Studiums 2009 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an die Universität Regensburg, wo ich die Gelegenheit bekam, in der interdisziplinären DFG-Forschergruppe 655 „Priorisierung in der Medizin“ mitzuarbeiten. In diesem Kontext entstand auch meine Dissertation, die, anknüpfend an die Arbeit von Weyma Lübbe, eine konsequentialismuskritische und dogmengeschichtlich informierte Analyse gesundheitsökonomischer Evaluationen, also verschiedener Formen der Kosten-Nutzen-Bewertung im Gesundheitswesen, liefert. Genauer gesagt beschäftige ich mich in der Arbeit mit Versuchen der Gesundheitsökonomen, Gerechtigkeitsprobleme zu beheben, die bei der einfachen Maximierung von Gesundheit, gemessen in Form von quality adjusted life-years (QALYs), auftreten und versuche zu zeigen, dass diese Lösungsversuche scheitern müssen, da der konsequentialistische Rahmen von Kosten-Nutzen-Bewertungen non-konsequentialistische Gerechtigkeitserwägungen wie Chancengleichheit oder das Gebot der Nichtdiskriminierung nicht angemessen erfassen kann.
Obwohl das Thema sehr speziell klingt, thematisiert die Arbeit ganz grundlegende moralphilosophische und wirtschaftswissenschaftliche Fragen, etwa nach den Grenzen konsequentialistischer Theorien, dem Wert von Gesundheit, dem Nutzenbegriff, dem in der Ökonomik und insbesondere der angewandten Wohlfahrtsökonomik vorausgesetzten Entscheidungsmodell sowie die Frage, welche Rolle empirische Befragungen hinsichtlich der Lösung normativ-ethischer Probleme spielen können, um nur einige Beispiele zu nennen. In der Auseinandersetzung mit den in der Forschergruppe versammelten Kolleg*innen aus den unterschiedlichsten Fächern (insbesondere mit den Gesundheitsökonom*innen) habe ich in dieser Phase zum einen gelernt, wie schwer echtes interdisziplinäres Arbeiten tatsächlich ist, zum anderen aber auch, welch wichtige Funktion die Philosophie hier übernehmen kann, indem sie etwa Diskurse ordnet, Begriffe präzisiert, implizite Prämissen herausarbeitet und hinterfragt.
Im Jahr 2016 wechselte ich dann quer durch die Republik von Regensburg nach Kiel, wo ich derzeit (Februar 2019) bei Prof. Ludger Heidbrink als wissenschaftliche Assistentin tätig bin. Insofern ein wesentlicher Teil meiner Aufgaben darin besteht, gemeinsam mit einem Kollegen den Masterstudiengang „Praktische Philosophie der Wirtschaft und Umwelt“ zu koordinieren und entsprechende Lehrveranstaltungen anzubieten, bin ich wirtschaftsphilosophischen Fragen und Themen der politischen Philosophie sowie der angewandten Ethik auch weiterhin treu geblieben. Als weiterer Schwerpunkt in Forschung und Lehre ist zudem die Feministische Philosophie hinzugetreten.
Konkreter interessieren mich aktuell insbesondere zwei Themenbereiche. Der erste umfasst die Auseinandersetzung mit der normativen Relevanz von Gruppenungleichheiten, was etwa die Auseinandersetzung mit den Begriffen „Diskriminierung“ und „Diversität“ sowie die normativ-ethische Bewertung dieser Phänomene umfasst. Was ist eigentlich Diskriminierung und was ist daran moralisch falsch? Welche Rolle spielen implizite Biases und Stereotype dabei und wie sind entsprechende Handlungen moralisch zu bewerten? Welche Antidiskriminierungsmaßnahmen, etwa Quotenlösungen, sind gerechtfertigt?
Der andere Interessenschwerpunkt lässt sich mit der Überschrift „Epistemologie und Ethik“ versehen und umfasst die Themen epistemische Ungerechtigkeit sowie die normative Betrachtung von Nichtwissen. Eine Frage, die mich –, anknüpfend an die Auseinandersetzung mit empirischer Ethik im Rahmen der Doktorarbeit – umtreibt, liegt im Schnittbereich der genannten Felder und wird in der Literatur unter dem Stichwort Social Moral Epistemology behandelt. Dabei geht es darum, wer eigentlich wie akademische Moralphilosophie betreibt bzw. betreiben sollte, um zu gut begründetem „moralischem Wissen“ zu gelangen. Muss die akademische Philosophie aus ethischen und/oder aus epistemischen Gründen „diverser“ werden? Was genau heißt das überhaupt? Welche Gruppen müssen hier berücksichtigt werden? Wie lässt sich bei einer derartigen Forderung eine Essentialisierung verschiedener Denkstile („Frauen denken so und Männer so“) vermeiden? (Einige Gedanken zum Thema Frauen in der akademischen Philosophie habe ich hier formuliert: https://www.praefaktisch.de/metoo/metoo-und-frauen-in-der-akademischen-philosophie-der-perfekte-sturm/)
Insgesamt würde ich mich als Anhängerin (und hoffentlich manchmal auch als „Betreiberin“) einer analytischen, grundlagentheoretisch fundierten und empirisch informierten angewandten praktischen Philosophie bezeichnen. Von der Überzeugung, dass die akademische Philosophie gesellschaftlich relevant ist bzw. sein sollte, ist auch mein „philosophisches Hobby“, die Filmreihe „Filmisches Philosophieren“ getragen, die ich, jeweils mit Unterstützung des Instituts für Philosophie bzw. des Philosophischen Seminars, von 2012-2016 in Regensburg und seit 2017 in Kiel organisiere und moderiere. Dabei werden pro Semester etwa drei Filme in einem Programmkino gezeigt, auf den Film folgt jeweils ein Impulsreferat einer Referentin oder eines Referenten, das die philosophisch interessanten Aspekte des Films heraushebt und schließlich wird mit dem Publikum diskutiert (ausführlicher dazu und mit Beispielen für Filme, Themen und Referent*innen: https://www.praefaktisch.de/populaere-philosophie/philosophie-im-kinosessel/).
Für weitere Informationen besuchen Sie/besucht meine Homepage bei der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel https://www.philsem.uni-kiel.de/de/lehrstuehle/praktische-philosophie/klonschinski und/oder kontaktieren Sie/kontaktiert mich gerne persönlich!