Foto: Nada Quenzel
Foto: Nada Quenzel

Hallo aus dem Zug! Gerade bin ich auf der Rückfahrt von Frankfurt am Main. Dort arbeite ich in diesem Semester als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Sozialphilosophie bei Prof. Dr. Martin Saar an der Goethe-Universität. Meine Forschungsinteressen liegen systematisch im Bereich der Ästhetik, Ethik und Sozialphilosophie und historisch im Bereich des Deutschen Idealismus (v.a. Kant) sowie der Romantik (Nietzsche) und der Postmoderne (Foucault). Was mich vor allem interessiert, sind die anderen Philosophiegeschichten, die jenseits der gängigen Interpretationen liegen. Nietzsche etwa ist nur zu oft dem Vorwurf ausgesetzt, dass er bloß den Weg in eine Aristokratie ebnet. Ich glaube auch, dass an dem Vorwurf etwas dran ist, nur bin ich auch davon überzeugt, dass es auch noch einen anderen Nietzsche gibt. Dieser Nietzsche spricht etwa von Freundschaften fernab elitärer Beziehungsgeflechte. Einen Vorschlag, wie solche Formen von Inklusions- und Exklusionsmechanismen im ganzen Leben – von Selbstverhältnissen, über ethische, ästhetische, rechtliche und politische Bereiche – zusammengedacht werden könnten, habe ich mit meiner Doktorarbeit „Einander nötig sein. Existentielle Anerkennung bei Nietzsche“ an der Humboldt-Universität zu Berlin angeboten. An der Princeton University habe ich die Publikation meiner Doktorarbeit (Fink 2016) abgeschlossen.

Schon während meines Studiums hat mich das Problem von Exklusionsformen beschäftigt. Studiert habe ich die Fächer Neuere/Neueste Geschichte, Philosophie und Französische Philologie an der Humboldt-Universität zu Berlin, der École Normale Supérieure de Cachan/Paris sowie an der Universität Potsdam. Die Möglichkeit, einen Bachelorabschluss an der ENS Cachan zu machen, habe ich aufgrund eines Arbeitsangebots vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) abgelehnt. Zudem stand schon recht früh für mich fest, dass ich meine Magisterarbeit zur Dreyfus-Affäre in Berlin schreiben wollte. Dieses Fallbeispiel hatte meine Aufmerksamkeit geweckt, weil es die diffuse Verwobenheit von Inklusions- und Exklusionsformen zeigt. 2012 wurde die Arbeit in dem Verlag Peter Lang veröffentlicht.

Gerade bin ich dabei, das Buchmanuskript unter dem Titel „Governing Oneself: Critical Aesthetics of Enhancement“ abzuschließen. Darin fasse ich die Ergebnisse zusammen, die ich während meiner Zeit als Postdoc in dem „The Enhancing Life Project“ der Universität Chicago an der Humboldt-Universität zu Berlin, an der Stanford University sowie an der Princeton University gewonnen habe. Gemeinsam mit 35 anderen Wissenschaftler_innen aus der ganzen Welt haben wir uns der Frage gestellt, ob die neuesten technologischen Entwicklungen, die unter dem Modewort „Enhancement“ gefasst werden, eigentlich wirklich das Leben verbessern, so wie sie es immerhin zu versprechen scheinen. In diesem Buchprojekt nehme ich den Faden der Inklusions- und Exklusionsmechanismen weiter auf: Nun geht es mir darum, die Wirkungsverhältnisse im Feld von Enhancementtechnologien zu hinterfragen. In diesem Zusammenhang habe ich insbesondere in Kalifornien eine amerikanisch-deutsche Kollaboration mitgeleitet. Hier sind wir der Frage nachgegangen, was Enhancement-Strategien eigentlich am Beginn des Lebens machen, und zwar nicht nur mit uns, sondern auch mit möglichen zukünftigen Generationen. An der Ostküste habe ich anschließend weiter das Handwerkszeug gelernt, den Bereich der Ästhetik in einem weiten Sinn zu verstehen: als tatsächlichen Bezug zu unserer Existenz. Erste Schritte auf dem Weg hin zu dem amerikanischen Postdoc-Projekt habe ich als Fellow am Kolleg Friedrich Nietzsche der Klassik Stiftung Weimar machen können. In der letzten Woche ist der von mir herausgegebene Band drei „Auf Nietzsches Balkon III“ erschienen. Er versammelt die Texte der Stipendiat_innen, die ganz wortwörtlich auf Nietzsches Balkon in der Villa Silberblick entstanden sind.

Mögliche Rückfragen oder Kommentare können gern an mich gemailt werden: S.Bianchi (at) em.uni-frankfurt.de

Weitere Informationen sind auf meinem Profil bei academia: http://uni-frankfurt.academia.edu/SarahBianchi