(c)  Thomas Koziel, Pressestelle der TU Kaiserslautern
(c) Thomas Koziel, Pressestelle der TU Kaiserslautern

Es klingt bestimmt für manches lesende Ohr manieriert, in einen Blog-Eintrag einzusteigen mit einem klassischen Zitat. Aber ich tue es dennoch, weil dieses die Weise war, die mich zum Philosophieren brachte. Zu meinen Schulzeiten kam meine Deutschlehrerin auf die Idee, mit folgenden Worten Rainer Maria Rilkes in den Unterricht einzusteigen: „[U]nd die findigen Tiere merken es schon, daß wir nicht sehr verlässlich zu Haus sind in der gedeuteten Welt.“ Sie versuchte uns damit, und zwar in dem wir selbst darüber nachdenken sollten – ohne irgendein Hintergrundwissen – , einen Zeitgeist reflektierend erleben zu lassen. Diese Methode hielt sie dann auch durch – was nicht jedem in meiner Klasse gefiel – aber mir immer mehr – und ich bin bis heute sehr froh darüber, dass diese Lehrerin meinen Entschluss Philosophie und Germanistik zu studieren, frühzeitig bestärkte.

Mein Magisterstudium der genannten Fächer an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und der Université de Bourgogne in Dijon als Stipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung führte mich immer weiter in die Philosophie hinein und es zeichneten sich meine ersten philosophischen Schwerpunkte ab, die während meiner Promotionsphase zu inhaltlichen Forschungsschwerpunkten wurden, nämlich die Hermeneutik, die Phänomenologie und die narrative Philosophie.

Es dauerte eine gewisse Zeit, bis sich mein Promotionsthema konkretisierte – und aber dies tat es Schritt für Schritt und nicht nur durch die philosophische Lektüre zu Hause am Schreibtisch, sondern durch die Stellen, die ich inne hatte, durch die Seminare, die ich hielt, und durch die Gespräche mit meinen Kolleg_innen, den Student_innen und mit meiner philosophischen Mentorin, Frau Prof. Dr. Joisten – und sie wird lachen, wenn sie liest, dass ich sie als philosophische Mentorin bezeichne. Meines Erachtens ist die Lektüre wie das Durcharbeiten philosophischer Zusammenhänge in der Einzelarbeit unerlässlich – aber der soziale und arbeitstechnische Kontext des Philosophierens ist das nicht minder zu wertende Fundament, auf dem sich philosophische Gedanken aufbauen.

Nach dem Abschluss meines Studiums war ich zunächst Geschäftsführende Leiterin am Historisch-Kulturwissenschaftlichen Forschungszentrum Mainz-Trier, am Standort der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Danach war ich wissenschaftliche Projektmitarbeiterin am Philosophischen Seminar der JGU Mainz und in der Folge als Lehrkraft für besondere Aufgaben am Institut für Philosophie der Universität Hildesheim tätig. Dort promovierte ich im Jahr 2013 zum Dr. phil mit der Arbeit: Zwischen Hermes und Hestia. Hermeneutische Lektüren zu Martin Heidegger und Jacques Derrida (Nordhausen 2014) bei Prof. Dr. Rolf Elberfeld und Prof. Dr. Karen Joisten. In der Arbeit beschäftige ich mich mit der hermeneutischen Grundsituation zwischen Fremdheit und Vertrautheit, wie sie sich in philosophischen Ansätzen implizit abzeichnet, und wies diese am Beispiel der Philosophien Heideggers und Derridas aus.

Mittlerweile hat sich nun wieder – Schritt für Schritt – mein Habilitationsthema und Forschungsschwerpunkt herausgebildet, und dies wiederum auf den Wegen, die ich seit Abschluss meiner Promotion beschritt. Ich war zunächst wissenschaftliche Projektmitarbeiterin am Institut für Philosophie der Universität Kassel im Editionsprojekt: Der philosophische Nachlass Wilhelm Schapps in 5 Bänden, das 2018 abgeschlossen wurde. Seitdem bin ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Philosophie der Technischen Universität Kaiserslautern tätig. Insbesondere der Wechsel an die TUK und das dortige Zusammenarbeiten mit den Sozialwissenschaften, MINT-Fächern, sozioinformatischen Forschungsprojekten und das Mitarbeiten am Aufbau eines EthikZentrums haben meinen anfänglichen philosophischen Habilitations-Schwerpunkt in der narrativen Anthropologie um wissenschaftstheoretische und insbesondere technikethische Fragen, die sich im Zuge der technischen und digitalen Transformation der Gesellschaft stellen, erweitert. Hiermit möchte ich meine Zeilen schließen – Philosophieren begann bei mir mit einem Rilke Zitat – und es wirkt auch heute noch, denn die Deutungen und das Deuten der Welt, die gegenwärtigen wie die vergangenen, rufen meines Erachtens unablässig nach Stimmen und eine davon ist das Philosophieren – egal, ob dies auf akademische oder auf ganz subjektive persönliche Weise sich vollzieht.

Für weitere Informationen: https://www.sowi.uni-kl.de/philosophie/personen/team/dr-thiemer-nicole/