Familienfreundlichkeit

Elternschaft und dadurch erwachsende besondere Verpflichtungen entbinden nicht von Anforderungen an die akademische Qualität der Leistung von Eltern; sie können aber erklären, warum Eltern bestimmte Leistungen oft nicht in dem Tempo erbringen, in dem Philosoph_innen ohne Betreuungsaufgaben es tun. Darüber hinaus gilt, dass Eltern in ihrer Rolle oft andere Kompetenzen erwerben—es kann sich lohnen, die eigenen Erwartungen zu prüfen.

Viele der im Folgenden genannten Punkte erleichtern nicht nur die akademische Karriere in der Philosophie für Eltern, sondern können auch im Allgemeinen das Leben in der Philosophie angenehmer machen.

Wissenschaftliche Veranstaltungen: Strategien

  • Es ist wünschenswert, wenn Veranstaltungen wie Vorträge, Kolloquien, Workshops und Lehrveranstaltungen zu Uhrzeiten stattfinden, zu denen üblicherweise eine Kinderbetreuung zur Verfügung steht (meistens zwischen 8.00 Uhr und 15.00 Uhr). Ob ein solcher Bedarf besteht und ein solcher Zeitplan im Sinne der betroffenen Eltern wäre, kann oft ohne großen Mehraufwand im konkreten Fall mit diesen abgesprochen werden.
  • Bei Konferenzen kann eine kostenlose Kinderbetreuung (mit der Möglichkeit zur „Eingewöhnung“ der Kinder) angeboten werden oder die Mitreise einer weiteren Betreuungsperson für Kinder nach Möglichkeit unterstützt und idealerweise auch bezahlt werden.
  • Wenn Veranstaltungen abends stattfinden, ist es von Vorteil, wenn Eltern nicht generell unter Druck stehen, diese Veranstaltungen besuchen zu müssen.

Infrastruktur: Strategien

  • Im Idealfall kann von den Instituten auf Fakultätsebene eine Initiative ergriffen werden mit dem Ziel, abschließbare Spinde, Ablagemöglichkeiten oder ein Eltern-Kind-Zimmer zur Verfügung zu stellen.
  • Jedes Institut kann unabhängig vom konkreten Bedarf eine Ansprechperson bestimmen, die, sollte Bedarf entstehen, im Sinne der hier vorgeschlagenen Richtlinien (und darüber hinaus) tätig werden kann. Auf dieses Angebot sollte dann seitens des Instituts aktiv hingewiesen werden (Info-Wände, Homepage, Kommunikation mit Fachschaftsrat und Studienberatung).

Semesterbetrieb: Strategien

  • Es ist wünschenswert, wenn lehrende Eltern bei der Planung der Zeiten von Lehrveranstaltungen in angemessenem Maße Priorität haben.
  • In einigen Bundesländern ist die Überschneidung zwischen Semester- und Schulferien nur sehr kurz. Für diese Zeitspanne ist es wünschenswert, wenn möglichst keine Veranstaltungen/Sitzungen geplant werden. Sollte sich das nicht vermeiden lassen, könnten Eltern mit schulpflichtigen Kindern von der Verpflichtung, solchen Veranstaltungen beizuwohnen, explizit ausgenommen werden. Das gilt ebenso für Schließzeiten der Kitas und eventuelle Streiks usw.
  • Wenn Eltern in einem Anstellungsverhältnis aufgrund von Betreuungsaufgaben Anträge auf unbezahlten Urlaub stellen, sollten besondere Bemühungen unternommen werden, diesen zu gewähren.

Karriere: Strategien
Auslandsaufenthalte werden von Studierenden, Promovierenden und Nachwuchswissenschaftler_innen zunehmend erwartet, sind aber für Eltern in den meisten Fällen nur sehr schwer zu organisieren und mit zusätzlichen Kosten verbunden. Dieses Problem sollte Lehrenden, Vorgesetzten und Mitgliedern von Auswahlkommissionen bewusst sein. Es bieten sich unterschiedliche Möglichkeiten an, diesen Herausforderungen zu begegnen.

Um Eltern Auslandsaufenthalte zu ermöglichen, kann eine finanzielle Unterstützung angestrebt werden, die Mehrkosten durch häufige Hin- und Rückreisen, bzw. die Unterbringung von Familienmitgliedern auffängt. Darüber hinaus könnten Studierende, Promovierende und Nachwuchswissenschaftler_innen ggf. bei der familienfreundlichen Gestaltung eines Auslandsaufenthaltes unterstützt werden. Alternativ kann überprüft werden, ob Promovierende und Nachwuchswissenschaftler_innen dabei unterstützt werden können, Gastwissenschaftler_innen für mehrere kürzere oder einen längeren Zeitraum einzuladen, um so den notwendigen internationalen Austausch zu fördern. Auch Studierende und (Nachwuchs-)Wissenschaftler_innen vor Ort könnten davon profitieren.

In Stellenausschreibungen oder in Vorstellungsgesprächen können Bewerber_innen ausdrücklich dazu aufgefordert werden, Faktoren anzugeben, die ihre wissenschaftliche Produktivität/ihren Lebenslauf beeinflusst haben, wie die Betreuung von Kindern oder Angehörigen. Diese Faktoren sollten in die Bewertung der wissenschaftlichen Leistungen eingehen, dürfen aber natürlich nicht ihrerseits zu einer Abwertung der Bewerbung führen.

Bewusstseinsbildung: Strategien
Es lässt sich nicht immer allgemein sagen, welche Maßnahmen im Einzelfall sinnvoll sind. Für einen respektvollen Umgang mit und die Unterstützung von Eltern ist daher Sensibilität für die folgenden Punkte wünschenswert: Personen mit Kindern oder anderen Betreuungsaufgaben

  • haben generell zeitliche Einschränkungen, die sich nach der jeweiligen familiären Situation und den Betreuungsmöglichkeiten vor Ort richten. Im Zweifelsfall gilt es nachzufragen.
  • haben phasenweise spezielle zeitliche Einschränkungen, resultierend aus intensiverer Betreuung und anderen Verpflichtungen.
  • haben häufig örtliche Einschränkungen: Es ist für sie deutlich schwieriger, an einen neuen Ort umzuziehen oder einen Auslandsaufenthalt zu organisieren.
  • haben häufig finanzielle Einschränkungen: Gerade Eltern im Studium und der Promotionsphase können sich ggf. nicht jede Konferenzreise und nicht jedes gemeinsame Biertrinken nach dem Vortrag leisten.
  • brauchen ggf. länger für Studium, Promotion und Habilitation—das allein ist kein Indiz für mangelnde akademische Qualität.