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Ich habe im Februar 2018 meine Promotion abgeschlossen und arbeite zurzeit am Lehrstuhl für Theoretische Philosophie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Ab dem Wintersemester 2018/19 werde ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin an den Arbeitsbereich Naturphilosophie und Philosophische Anthropologie des Karlsruher Instituts für Technologie wechseln.

Dass ich einmal auf dem besten Weg zur „hauptberuflichen Philosophin“ sein werde, hätte ich mir mit Anfang zwanzig nur schwer vorstellen können—trotz meines schon damals ausgeprägten Interesses an philosophischen Fragen. Ich bin eine Studierende erster Generation und habe mein Abitur im Anschluss an eine Berufsausbildung auf dem zweiten Bildungsweg erworben. Von den Anforderungen eines Hochschulstudiums im Allgemeinen und meiner Studienfächer Germanistik und Philosophie im Besonderen hatte ich deshalb eine bestenfalls vage Vorstellung, als ich im Herbst 2005 mein Studium an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf aufnahm. Und ich war in gleichem Maße beeindruckt wie befremdet von der Selbstverständlichkeit, mit der sich einige meiner Kommilitonen mit der akademischen Welt identifizierten.

Meine anfängliche Ambivalenz angesichts der Perspektive einer akademischen Laufbahn hat mich zwar nie ganz verlassen, wurde aber schon bald von der Begeisterung für —zunächst vor allem— Fragen der Erkenntnistheorie und Wissenschaftsphilosophie in den Hintergrund gedrängt.

Mit einem Wechsel an die Universität Stuttgart beim Übergang vom Bachelor- zum Masterstudium hat sich mein philosophischer Interessenschwerpunkt hin zur Sprachphilosophie verschoben. Um ein zentrales Thema der Sprachphilosophie, sprachliche Vagheit, geht es auch in meiner Dissertation, deren Inhalt ich im Folgenden kurz zusammenfassen möchte. Grob gesagt ist ein sprachlicher Ausdruck genau dann vage, wenn sein Anwendungsbereich nicht scharf begrenzt zu sein scheint. Ein Paradebeispiel eines solchen Ausdrucks ist das Prädikat „Haufen“, für dessen Anwendbarkeit kompetente Sprecher keinen präzisen Schwellenwert—etwa 99.000, 100.000 oder 250.000 Sandkörner (oder mehr)—angeben können. Dem Prädikat „Haufen“ verdankt auch ein hartnäckiges Paradox, das in engem Zusammenhang mit sprachlicher Vagheit steht, seinen Namen: das Sorites- oder Haufenparadox.

Das Sorites-Paradox lässt sich als die Kombination dreier Überzeugungen verstehen:

i. Ein Sandkorn ist kein Haufen.

ii. Eine Million Sandkörner sind ein Haufen.

iii. Sofern zwei Ansammlungen von Sandkörnern sich lediglich darin unterscheiden, dass eine von ihnen ein Sandkorn weniger als die andere aufweist, sind entweder beide Ansammlungen ein Haufen oder keine von beiden.

Überzeugung (iii) ist plausibel, weil wir vage Prädikate wie „Haufen“ für tolerant halten. Kleine Veränderungen des Gegenstands, von dem sie prädiziert werden, können ihrer Anwendbarkeit „nichts anhaben“—meinen wir. Ausgehend von Überzeugung (ii) erlaubt uns die wiederholte Anwendung des Toleranzprinzips (iii) allerdings die Ableitung des Satzes, dass auch ein einzelnes Sandkorn ein Haufen ist, was im Widerspruch zu (i) steht.

Obwohl im Verlauf der vergangenen rund vierzig Jahre eine Vielzahl von Veröffentlichungen zu Vagheit und dem assoziierten Haufenparadox erschienen ist, ist es bislang keinem Lösungsversuch—keiner „Theorie der Vagheit“—gelungen, breiten Rückhalt zu finden. Statt eines stetigen Erkenntnisfortschritts scheint die Vagheitsforschung eine Tendenz zur Fragmentierung erkennen zu lassen. Diese einigermaßen ernüchternde Bestandsaufnahme bildet den Ausgangspunkt meiner Untersuchung, in deren Verlauf ich zunächst einige prominente Theorien der Vagheit vor- und ihre jeweiligen Stärken und Schwächen herausstelle. Ich zeige, dass der Konstruktion und Bewertung solcher Theorien eine gemeinsame Methode zugrunde liegt: die Methode des (weiten) Überlegungsgleichgewichts. Ich argumentiere, dass es angesichts dieser Tatsache nicht überraschend ist, dass bisher keine Theorie der Vagheit breite Zustimmung gewinnen konnte. Zudem identifiziere ich eine Reihe von Metaphern und Vergleichsobjekten, die eine gewisse Tendenz zur Abschwächung von Toleranzintuitionen—und damit die Ablehnung oder zumindest die Einschränkung von Prinzip (iii)—mit sich bringen. Weil Vagheitstheoretiker, so meine These, naheliegende Analogien zwischen der natürlichen Sprache und formalen, kalkülartigen Sprachen überdehnen, neigen sie dazu, eine bestimmte Möglichkeit zur Auflösung des Haufenparadoxons vorschnell abzulehnen. Dieser Möglichkeit der Auflösung von Sorites-Paradoxien widme ich mich im letzten Kapitel meiner Arbeit. Ich verteidige die These, dass vage Prädikate ihrer Natur nach „grenzenlos“—und damit tatsächlich tolerant—sind. Zuletzt zeige ich auf, welche Konsequenzen diese These zum „Wesen von Vagheit“ für das Paradox selbst, für unseren Begriff der Gültigkeit und mit Bezug auf den Begriff des Grenzfalls mit sich bringt.

In Zukunft möchte ich mich einerseits der metaphysischen Seite von Vagheit widmen. Hinter der Rede von „Vagheit in der Welt“ verbirgt sich eine Reihe von Rätseln zur Natur der Identitätsrelation und zur Individuation und Persistenz von Gegenständen. Daneben interessiert mich aber auch die praktische Seite von Sprache, etwa Fragen nach der Funktionsweise von Beleidigungen oder Hate Speech: Inwiefern können sprachliche Handlungen Menschen einschränken, verletzen oder unterdrücken?

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